Als ich dich entkleide, um duschen zu können, entdecke ich eine Wunde, die am Morgen noch nicht zu sehen war. Sofort wird mir klar, dass es in der Betreuung passiert sein muss. „Schatz, was hast du da? Das muss doch weh tun, hast du dich wo angeschlagen, hat dich jemand gezwickt oder wurdest du vielleicht sogar gebissen?“ , frage ich erschüttert und streiche ganz sanft über die Stelle. Ich bekomme sofort deine Aufmerksamkeit, du nimmst deinen Arm und versuchst die Wunde zu ertasten. Mitleidig siehst du mich an. Ich rede weiter, suche nach Erklärungen und entschuldige mich mehrmals dafür, es erst so spät entdeckt zu haben. „Hast du vielleicht sogar zuerst gezwickt und ein Kind hat sich nur gewehrt?“, suche ich irritiert nach Antworten. Du siehst mich fast schon verzweifelt an, streckst mir immer wieder deinen Arm entgegen und verlangst unzählige Küsse auf deiner Wunde. Ich puste zart über die Stelle und kämpfe gleichzeitig mit meinen Gefühlen. So schmerzhaft ist diese Situation für uns beide, weil es zeigt, wie wichtig Sprache in solchen Momenten ist.
Viel eher hättest du das Recht haben sollen mir von deinem Erlebnis zu erzählen. Du hattest keine andere Wahl als abzuwarten bis ich es von selbst entdecke. Denn du kannst nicht einfach mal den Ärmel hochziehen, um mich darauf aufmerksam machen zu können.
Um so wichtiger ist es mit dir über den Vorfall zu sprechen und deine Gefühle ernst zu nehmen. Du hast das Recht genauso verletzt, traurig oder sogar wütend zu sein.
Ich gebe auch definitiv keinem Kind die Schuld daran, weil ich genau weiß, dass es genauso gut du bei einem anderen Kind hättest sein können.
Vielleicht war es auch wirklich nur Notwehr, weil du angefangen hast, aber trotz allem hättest du das Recht mit mir darüber zu sprechen.
Es fehlt mir sehr…. ich würde mir wünschen, dass du auf mich zugelaufen kommst und zum Beispiel sagst:“Mama, heute habe ich mit „Paul“ gestritten, er war gemein und hat mich geschubst, da wollte ich mich wehren.“ Und ich würde dich ganz in Ruhe belehren, dass man solche Situationen auch anders lösen kann.
Stattdessen musst du diese Kämpfe ganz allein mit dir selbst ausmachen und darauf hoffen, dass ich die Anzeichen wahrnehme.
Diesmal habe ich es bemerkt und lange mit dir darüber gesprochen, dich getröstet und tausend Küsse auf der Stelle verteilt. Ich habe dir versprochen, dass wir der Suche auf den Grund gehen, jedoch kein Kind beschuldigen werden.
Dabei hast du mich ganz fest gedrückt und mir gezeigt, wie dankbar du darüber bist, ernst und wahrgenommen zu werden…❤️
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